Auf der Spur des Erfolgs des Hellen

von Conrad Seidl 29/06/2020
Nachrichten
Auf der Spur des Erfolgs des Hellen

Köln - Der Bierstil Helles hat in den vergangenen Jahren einen erstaunlichen Wandel durchgemacht: Galt er noch um 2010 als altvaterisch in der Anmutung und langweilig im Geschmack, so gilt er nun als "ein Bier mit Coolness-Faktor". Das Magazin Meiningers Craft hat in seiner Sommerausgabe der Erfolgsgeschichte nachgespürt. Auf dem "Highway to Hell" stellt Svenja Dietz 19 deutsche Helle vor - vom alkoholfreien Hellen der Brauerei Riegele über das auch in österreichischen Szenelokalen als kultig geltende Bayreuther Hell bis zum eher hopfenbetonten, derzeit aber nicht lieferbarenen Muttis Sonnenschein der Braumanufaktur Hertl.

Eine lesenswerte Analyse kommt von Heinz Grüne, einem Marktforscher des Instituts Rheingold: "Der Erfolg von einem Bayerisch Hell liegt nicht nur an der Sorte, sondern an der gesellschaftlichen Situation. Durch die Aufmachung mit der Euro-Flasche und speziellen Etiketten, die manch­mal so wirken, als hätten sie nie eine Werbeagentur gesehen, scheint es, als käme das Bier von kleinen, regiona­len Anbietern. Dahinter verbirgt sich auch die Erfolgsformel von einigen bekannten Hell-Marken, beispielswei­se Augustiner, die ja keineswegs als kleine Manufakturen gelten können - aber so wirken."

Es gehe aber auch um die Konsumsituationen: Pils ist längst nicht mehr edel, die Geschmackswelten sind einander sehr ähnlich, die Werbeplattformen wirken verstaubt und es kommen keine inno­vativen Impulse von den Herstellern. Weißbier dagegen stelle vor allem bei jungen Leuten ein Problem dar, weil es verlangt, dass man sich beim Genuss normalerweise hinsetzt und aus einem Glas trinkt, argumentiert Grüne: "Gerade in unserer mobilen Zeit bevorzugen speziell junge Leute ein Bier wie das Helle, mit dem sie mit der Flasche in der Hand herumlaufen können. Helles ist vom Charakter her eher un­kompliziert und gut trinkbar, also nicht so mastig wie manche Weißbiere und nicht so hopfig-bitter wie Pils. Zudem ist Retro heute einfach schick, da geht es um den Ausdruck signifikanter Individualität. Selbst in Köln laufen die Leute mit einer Flasche Bayerisch Hell herum. Dahinter verbirgt sich offen­sichtlich ein gewisser Coolness-Faktor. Man will demonstrieren, ich bin nicht so wie meine Altvorderen, die in Köln nur Kölsch am Tresen trinken."