Die Geschichte einer alten Bierflasche

von Conrad Seidl 28/04/2020
Nachrichten
Die Geschichte einer alten Bierflasche

Wien - Manchmal findet sich auf einem Dachboden ein Stück Biergeschichte, das einer Nachforschung wert ist. Otto Karger wendete sich in einer E-Mail an Bierpapst Conrad Seidl und berichtete von einer alten Bierflasche von Münchner Pschorr Bier. Das Etikett war beschädigt, es war aber deutlich, dass diese Flasche eine seltene Fremdabfüllung des Bieres aus Wien dargestellt hat. 

Karger fragte:"19. Jahrhundert oder schon 20stes? Was sagen Sie?"

Sicher ist, dass Pschorr im 19. Jahrhundert in Wien eine hoch anerkannte Marke gewesen ist. Es gab einen Pschorr-Ausschank in der Jasomirgottstraße 3-5, das ist jene kleine Gasse, die unmittelbar auf das Riesentor des Stephansdoms hinführt. Dieses Gebäude, das "Stephanshof" oder "Badlhof" genannt wird, wurde in den Jahren 1886/1887 errichtet. Es steht zum Großteil auf dem Grund des ehemaligen Margaretenhofes, welcher der Anlage der Jasomirgottstraße zum Opfer fiel. Der Hof wurde nach Plänen von Otto Thienemann durch den Baumeister Ernst Krombholz mit einem Kostenaufwand von 325.000 Gulden erbaut. Die Bildhauerarbeiten stammen von Ludwig Strictius. Das Gebäude stand ursprünglich im Besitz der "Union Baugesellschaft" und gehörte später (Grundbücher von 1905 und 1911) Jacob Badl, von dem sich der Name "Badlhof" ableitet.´Hier also befand sich zunächst das Restaurant Pschorrbräu, das luxuriös ausgestattet war. Im Jahr 1900 wurde es umgewandelt ins "Café Splendid" - im Wien-Geschichte-Wiki heißt es dazu: "Es handelte sich um ein Prachtcafé, das mit großen und lichtdurchfluteten Sälen ausgestattet war. Das Kaffeehaus zählte zu den bedeutenden Sehenswürdigkeiten der Stadt. Der damalige Hofmaler Adolf Falkenstein, der sich auch schon bei der Ausstattung von BurgtheaterRathaus und diversen Museen beteiligt hatte, besorgte die Dekorationsarbeiten und Glasmalereien. An den Wänden waren prachtvolle Spiegel angebracht und an den Decken hingen zahlreiche Bogenlampen. Der Boden bestand aus Linoleum, was für diese Zeit ein völlig neuartiges Material war und daher sehr bewundert wurde." Heute befindet sich an dieser Adresse "Wein & Co" - und ob nach 1900 dort weiter Pschorr Bier ausgeschenkt wurde, kann man leider bisher nicht mehr nachvollziehen.

Wohl aber muss das Pschorr-Bier in Wien weiter sehr beliebt gewesen sein. Und dafür ist unsere alte Bierflasche ein guter Beweis. Klar ist, dass die Abfüllung aus dem 20. Jahrhundert stammen muss. Zur Firma Schuster & Stögermayer, Heiligenstädter Straße 39 weiß ich, dass sie ab 15. Juli 1902 und bis 1929 Pschorr-Bier (die letzte Nachricht dazu datiert vom 11. September 1929) als (General-)Vertretung angeboten hat. Heute befindet sich an der Stelle die "Kellerwelten" der Sektkellerei Schlumberger.

In welche Zeit die Abfüllung in Wien fällt, kann ich nicht sagen – es war aber bis kurz nach dem Krieg üblich, dass Brauereien große Fässer Bier an Getränkehändler geliefert haben und diese dann vor Ort abgefüllt haben. Es wurde daher oft mit „Original-Brauereiabfüllungen“ geworben zum Unterschied von solchen durch Getränkehändlern.

https://www.hacker-pschorr.de/