Die Story vom Brauer, der San Francisco verpasste

von Conrad Seidl 29/03/2021
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Die Story vom Brauer, der San Francisco verpasste

Bangor - Die Story würde man für einen Aprilscherz halten, wenn es nicht gute Belege dafür gäbe, dass sie sich vor 44 Jahren tatsächlich zugetragen hat: Ein bayerischer Bierbrauer landet in einer kleinen Stadt an der amerikanischen Ostküste und wähnt sich in San Francisco. Damit wurde er in den USA zur Berühmtheit, es gibt sogar einen eigenen Wikipedia-Eintrag.

Aber rund um den 1. April wird sie immer wieder ausgegraben, daher sei sie hier auch noch einmal erzählt: Der Kreuz Erwin, ein bayrischer Bierbrauerei-Arbeiter aus dem 642-Seelen-Dorf Bonstetten bei Augsburg, hat bewiesen, dass aus einem  ADAC-Billigflug nach Amerika etwas Atemberaubendes, Einmaliges, ja möglicherweise das ganze Leben Umkrempelndes werden kann, schrieb der Spiegel 1977: Bedingung: "Der Mensch muss sich irren können... Seine wunderbare Reise begann da, wo Nordamerika, von Europa aus gesehen, anfängt: im nordöstlichsten US-Bundesstaat Maine, in Bangor, weil dort die »World Airways«-Maschine zwischenlandete, das Reisegepäck zwecks Zollkontrolle ausgeladen wurde. Während sich andere Passagiere die Füße vertraten, wähnte sich der Bonstettener schon am Ziel seiner Träume."

Geträumt hatte er schon an Bord - und als ihn die Stewardess vor der Landung in Bangor weckte verstand er sie falsch, als sie ihm einen schönen Aufenthalt in San Francisco wünschte. Für die Flugbegleiterin war der Trip in Bangor zu Ende, sie wollte sich verabschieden und guten Weiterflug wünschen. Aber der gute Bierbrauer wähnte sich am Ziel seiner Wünsche, bestieg ein Taxi, tat dem Fahrer eine seiner sehr wenigen englischen Vokabeln kund ("sleep") und landete in einem Hotel. 

Drei Tage im Irrtum

Drei Tage lang streifte er durch Bangor - ohne eines der Wahrzeichen von San Francisco zu entdecken. Dann stieg er wieder in ein Taxi und hielt dem Fahrer einen Zettel hin, auf dem seine Bitte stand, nach Downtown San Francisco gebracht zu werden. Dem Fahrer kam das komisch vor, aber er konnte das dem Fahrgast nicht klarmachen. Also nahm er ihn zu einem deutschen Lokal in der Innenstadt von Bangor mit: Gertrude Romine, die mit ihrem Mann ein deutsches Restaurant in der Altstadt führt, erklärte dem unglücklichen Reisenden, wo er war. Ein Reporter der Bangor Daily News wurde kontaktiert und nachdem die Geschichte in der Zeitung erschien, wurde Kreuz praktisch über Nacht zu einer lokalen Berühmtheit.

Er erhielt vom Stadtrat von Bangor den Schlüssel zur Stadt, wurde zum Ehrenmitglied der Penobscot Indian Nation und des Old Town Rotary Club ernannt und hatte ein Treffen mit Gouverneur James Longley. Er wurde später mehrfach nach Bangor (und auch nach San Francisco) eingeladen, etwa als Ehrengast zur Eröffnung eines Einkaufszentrums. Alle haben es mit Humor genommen - und niemand hat den armen Bierbrauer ausgelacht.

Was Kreuz verpasst hat: In den 1970er Jahren gab es noch keine Microbrewery-Bewegung in den USA. Heute könnte er allein in Maine 155 Brauereien besuchem. Und vielleicht hätte er heutzutage die Einladung angenommen, sich in Bangor niederzulassen. 

Über die Brauereien in Maine informiert die Maine Brewer's Guild hier: https://mainebrewersguild.org/about/media-kit/