London - Die hohen Energiepreise machen europaweit Sorgen - nicht zuletzt den Gastronomen. Das Vereinigte Königreich ist allerdings besonders betroffen - und die Kritik daher besonders scharf. Hier sind die Energiepreise über dem europäischen Durchschnitt gestiegen, gleichzeitig leidet das Land unter den Folgen des Brexit und einer handlungsunfähigen Regierung, in der Premierminister Boris Johnson keine Führungskraft mehr entfaltet. Die britische Pub-Szene könnte das hart treffen: "Drei Viertel der Pubs drohen ausradiert zu werden", warnt das Branchenblatt Morning Advertiser.
Eine Befragung von Pubbetreibern ergab, dass zwei Drittel mindestens eine Verdoppelung ihrer Betriebskosten sehen, weitere 30 Prozent sehen eine Verdreifachung und bei acht Prozent sind es sogar 500 Prozent.
Erste Sperren für den Winter angekündigt
Die 1880 gegründete Scottish Licensed Trade Association (SLTA) hat eine Energiepreisdeckelung für Unternehmen und dringende Hilfe der Regierung gefordert, um den Sektor über den Winter zu unterstützen, da die Energiekosten weiter steigen. SLTA-Geschäftsführer Colin Wilkinson sagte: „Was im Inland passiert, wirkt sich auf Unternehmen aus, da die Menschen ihre Ausgaben reduzieren werden, um die steigenden Energierechnungen zu bezahlen, und das Gastgewerbe sehr stark in der Schusslinie steht. Wir hören bereits von Kneipen und Restaurants, die jetzt erwägen, über die Winterzeit zu schließen, weil sie den jüngsten starken Anstieg der Energierechnungen nicht auffangen können. Viele Unternehmen haben ihre Öffnungszeiten bereits reduziert, weil sie kein Personal finden können, und anderen müssen zusätzliche Kosten entstehen, um Mitarbeiter zu finden, die die Branche während der Pandemie und wegen des Brexit verlassen haben. Wir haben definitiv einen Wendepunkt erreicht."
Ed Bedington, Herausgeber des Morning Advertiser, sagte: „Diese Krise wird als „Auslöschungsereignis“ für das Gastgewerbe bezeichnet, und das ist keine Übertreibung. Erhöhungen der Art, wie wir sie sehen, sind völlig unhaltbar und müssen jetzt angegangen werden, nicht in ein paar Wochen, wenn die Konservativen einen neuen Führer wählen. Unternehmen kämpfen bereits damit, sich von den Belastungen durch die Pandemie und die vielen Lockdowns zu erholen. Wie die Ergebnisse unserer Umfrage zeigen, werden die unverschämten Steigerungen für viele Unternehmen das Fass zum Überlaufen bringen.“
Kritik an der Regierung Johnson
In einem Kommentar schreibt er: "Wenn ein einzelnes Stahlwerk die Schließung ankündigt und Tausende von Arbeitsplätzen bedroht, rollt die Regierung die Panzer aus und zieht alle Register, um zu helfen. Wenn aber unsere Branche sagt, dass zwei Drittel der Unternehmen aufgrund der Energiekrise wahrscheinlich untergehen werden und Hunderttausende von Arbeitsplätzen bedroht sind, ganz zu schweigen von den Folgewirkungen für Zulieferer und andere Unternehmen, sagt uns Boris, wir sollen aufgeben."
Heath Ball, Geschäftsführer der Frisco Group, die drei Pubs im Südosten Englands betreibt, wird von der Zeitung mit scharfer Kritik an Wirtschaftsminister Kawas Kwarteng, der sich mehr um Konsumenten als um (Gast-)Wirtschaft kümmere zitiert: „Die Briten stehen vor der Aussicht, Tausende von Pubs zu verlieren, wenn nicht bald etwas unternommen wird. Wieder einmal scheint das Gastgewerbe in den Korridoren der Macht unterrepräsentiert zu sein, vielleicht weil sie denken, dass wir eine robuste Branche sind. Zu sehen, wie der Wirtschaftsminister versucht, die Verbraucher zu beruhigen, indem er sagt, dass Hilfe kommt, ist großartig, aber vielleicht sollte sein Fokus auf den Unternehmen liegen, die kurz vor der Schließung stehen – der Hinweis liegt in der Berufsbezeichnung von Herrn Kwarteng.“
https://www.morningadvertiser.co.uk/Article/2022/08/26/Government-is-ig…