Nebensaison eröffnet Chancen für Bierwirte

von Conrad Seidl 03/12/2025
Nachrichten
Nebensaison eröffnet Chancen für Bierwirte

Wien - Urlaub in Österreich boomt – und zwar längst nicht mehr nur in den klassischen Ferienmonaten Juli und August, sondern immer stärker in der Nebensaison von Mai, Juni, September und Oktober. Dieser Trend eröffnet vor allem der bierorientierten Gastronomie neue Chancen, Gäste ganzjährig zu begeistern und zusätzliche Wertschöpfung in den Regionen zu halten.​

Im Sommerhalbjahr von Mai bis Oktober wurden heuer österreichweit 83,4 Millionen Nächtigungen gezählt, ein Plus von 2,2 Prozent und damit ein neuer Rekordwert. Besonders auffällig ist, dass sich Haupt- und Nebensaison bei den Nächtigungszahlen immer mehr annähern: Lag der Anteil der Vor- und Nachsaison in den 1970er-Jahren noch bei rund 35 Prozent der Sommernächtigungen, so entfällt heute bereits rund die Hälfte aller Übernachtungen auf diese Monate. Bereits 2006 überschritt die Nebensaison erstmals die 50-Prozent-Marke, seither mit leichtem Übergewicht der Nachsaison im September und Oktober – ein langfristiger Strukturwandel, der Hotels und Gastronomie dazu zwingt, ihre Angebote über das Jahr hinweg neu zu denken.​

Nachfrage nach "Local Beer"

Heuer im Oktober wurden 9,22 Millionen Nächtigungen verzeichnet, ein Zuwachs von 1,5 Prozent zum Vorjahr, wobei die Übernachtungen aus dem Ausland um 2,8 Prozent auf 6,23 Millionen stiegen, während die Nächtigungen inländischer Gäste leicht auf knapp 3 Millionen zurückgingen. Insgesamt trugen Gäste aus dem Ausland mit 59,5 Millionen Übernachtungen und einem Plus von 2,9 Prozent den Großteil des Wachstums, allen voran Deutschland mit 32 Millionen Nächtigungen. Auch Märkte wie Tschechien, Italien und die USA legten zu, während etwa aus den Niederlanden oder aus der Schweiz und Liechtenstein leichte Rückgänge verzeichnet wurden – ein Signal dafür, dass sich die Gästeströme differenzierter entwickeln und unterschiedliche Erwartungen an Erlebnis- und Genussangebote mitbringen.​ Und ausländische Gäste fragen immer öfter nach "Local Beer".

Regional bleibt Tirol mit 23,1 Millionen Buchungen das Schwergewicht im Sommertourismus, gefolgt von Salzburg mit 14,9 Millionen und Wien mit 10,8 Millionen Übernachtungen. Dahinter rangieren Kärnten mit 9,4 Millionen, die Steiermark mit 8,1 Millionen sowie Oberösterreich, Vorarlberg und Niederösterreich mit jeweils zwischen 4,5 und 5,7 Millionen Nächtigungen. Für die bierorientierte Gastronomie bedeutet das: Vom alpinen Wander- und Bike-Tourismus über Seenregionen bis zur urbanen Städtereise gibt es eine breite Palette an Schauplätzen, in denen Bierkultur als ergänzendes Erlebnis angeboten werden kann – gerade dann, wenn die Pisten geschlossen und die Badestege noch leer sind.​

Der verlängerte touristische Atem der Nebensaison verändert auch das Konsumverhalten der Gäste. Wer im Frühling oder Herbst nach Österreich reist, bleibt oft kürzer, ist aber bereit, in Genuss und Qualität zu investieren, etwa in regionale Spezialitäten oder kulinarische Themenabende. Bierorientierte Betriebe können hier ansetzen: Ein sorgfältig kuratiertes Sortiment an regionalen Bieren, ergänzt um saisonale Spezialitäten wie herbstliche Bockbiere oder kreative, leichtere Sommerstile, schafft Profil und unterscheidet das Haus von der Konkurrenz. Die wachsende Nachfrage nach alkoholfreiem Bier, das inzwischen zu den dynamischsten Segmenten am Markt zählt, eröffnet zusätzliche Optionen für Gesundheits- und Sporttouristen, die nach Wandertour, Radausflug oder Thermentag bewusst genießen wollen.​

Kooperationen mit Craftbier-Brauern

Besondere Chancen bieten Kooperationen mit der vielfältigen österreichischen Szene aus Mikrobrauereien, Gasthausbrauereien und Craft-Beer-Betrieben, die in Rankings und Publikums-Votings regelmäßig für ihre Kreativität ausgezeichnet werden. Vom Leopoldauer Brauhandwerk in Wien über Brauereien wie Hofstetten im Mühlviertel oder die Bierschmiede am Attersee reicht die Palette an Produzenten, die mit spezialisierten Bierstilen vom Rauchbier nach Bamberger Art bis zu gewürzbetonten Kreativbieren internationale Trends aufgreifen und regional verankern. Für Hotels, Wirtshäuser und Stadtlokale bietet sich an, solche Biere im Rahmen von Degustationen, Themenwochen oder „Meet the Brewer“-Abenden in Szene zu setzen – gerade in der Nebensaison, wenn Veranstaltungen besser planbar sind und weniger mit Großevents konkurrieren.​

Die Praxis zeigt, wie breitenwirksam Bier-Erlebnisse bereits heute funktionieren. In Tourismusregionen wie dem Mühlviertel werden unter dem Motto „Bierweltregion“ Urlaubsangebote mit Brauereiführungen, Verkostungen und kulinarischen Arrangements verknüpft, die Bier als Leitprodukt einer Genussdestination inszenieren. In Städten wie Wien entstehen Brauereikonzepte, bei denen Gäste dem Brauer beim Arbeiten zusehen und Bier direkt aus dem Lagertank verkosten können, während parallel Stadtführungen und Craft-Beer-Touren mit Verkostungsstopps und Food-Pairing-Elementen angeboten werden. Solche Formate lassen sich in ruhigeren Monaten flexibel skalieren – vom kleinen Tasting im Hotel bis zum regionalen Bierfestival, das Besucherinnen und Besucher auch außerhalb der Spitzenzeiten anzieht.​​

Für die Gastronomie der Nebensaison wird Bier damit zum strategischen Instrument, um Aufenthaltsdauer und Ausgaben pro Gast zu erhöhen. Professionell geführte Bierverkostungen, moderierte Biermenüs in Kombination mit der Küche oder kompakte „Bier & Region“-Pakete, in denen Wanderungen, Brauereibesichtigungen und Abende im Wirtshaus ineinandergreifen, schaffen ein Profil, das sowohl Stammgäste als auch neue Zielgruppen anspricht. In einer Zeit, in der die Nächtigungen zunehmend gleichmäßig über Haupt- und Nebensaison verteilt sind und internationale Gäste mit hohen Genussansprüchen Österreich besuchen, könnte die Weiterentwicklung der Bierkultur vom Nischenprodukt zur tragenden Säule eines ganzjährigen, qualitätsorientierten Tourismus werden.