Hält man sich an Max Delbrücks vor 100 Jahren erschienenes Brauerei-Lexikon, dann findet man Märzenbier nur unter ferner liefen: Es wird als letztes der dunklen Lagerbiere nach dem Münchner und dem Nürnberger gelistet. Will man es näher wissen, lohnt ein Blick in Karl Michels 1897 verfasstes Lehrbuch "Der praktische Bierbrauer", wo erwähnt wird, dass es solche Märzenbiere damals sowohl in Bayern als auch in Wien und Umgebung gegeben hat, auch da aber nur als Randsorte: Gemeinsam war ihnen offenbar nicht nur die relativ dunkle Farbe, sondern auch eine kräftige Hopfung und eine hohe Stammwürze. Die Stammwürze von Märzenbieren betrug damals 15 Prozent, lag also knapp unter den Bockbieren, die von 16 Grad Stammwürze aufwärts aufweisen.
Welch ein Unterschied zu dem, was wir heute in allen Supermärkten und in vielen Gasthäusern als Märzen angeboten bekommen! Bei uns in Österreich verwenden der (rechtlich verbindliche) Biercodexund die Bierstatistik die Termini Märzenbier und Vollbier als Synonyme. Und sie bezeichnen ein Bier, das seit Österreichs EU-Beitritt 1995 nur elf Grad Stammwürze haben muss und das vordem mit zwölf Grad auch nicht an seine historischen Vorgänger herangereicht hat.
Dahinter steht zunächst eine steuerliche Überlegung: Die Biersteuer wird in Österreich in Abhängigkeit von den vergärbaren Stoffen in der unvergorenene Bierwürze berechnet. Ein Stammwürzegrad entspricht dabei einem Teil Zucker auf 100 Teile Würze: Je dünner ein Bier eingebraut wird, desto geringer ist die steuerliche Last.
Aber natürlich ist ein Bier mit elf bis zwölf Grad Alkohol auch süffiger als ein Bier, das eher einem Bockbier entspricht. Das bedeutet: Es erfrischt besser und macht auch nicht so schnell betrunken, selbst wenn man noch ein, zwei weitere Krügerl trinkt. Und das freut wieder Brauer, Wirte und letzlich Gäste, die dieses Bier trinken wollen, ohne sich nach dem ersten Glas schon voll zu fühlen. Andererseits: Das, was man heute in Österreich als Märzenbier kennt, entspricht ganz ung gar nicht den internationalen Vorstellungen. Da ist Märzen eher das, was man in Österreich als Spezialbier braut. Märzen gilt in Deutschland als Festbier, das eine Stammwürze von mindestens 13 Grad haben muss, meist aber deutlich über 13,5 Grad hat. Das ergibt vollmundige, meist sehr viel dunklere und oft sehr wenig gehopfte Biere. Diese Biere sind fast immer näher an dem, was das historische Märzenbier war.