Boulder - Es ist noch nicht wahnsinnig lang her, da konnte man die Bierstile an einer Hand abzählen: Hell, Dunkel und Bockbier, das aber nur saisonal. Und ebenfalls saisonal Weizenbier. Mit dem ebenfalls raren Pils war die Hand komplett. Ach ja: Irgendwo weitab unserer Bierkultur gab es auch Stout. Und ebenso weit entfernt von der Vorstellungswelt der meisten Bierwirte (und erst recht der Bierkonsumenten): Alt aus Düsseldorf und Kölsch aus Köln. Von belgischen Bieren ganz zu schweigen. Die standen hierzulande unter dem Verdacht, aufgespritet zu sein - "echtes Bier gibt es sowieso nur im deutschsprachigen Raum", hat mir mal der Leiter eines Biermuseums einzureden versucht.
Tatsächlich hat sich die Bierwelt in den letzten Jahrzehnten stark gewandelt - irgendwann begann man beim Pils die unterschiedlichen Brautraditionen (vollmundiger in Böhmen, schlanker und herber in Norddeutschland, hopfengestopft in Italien etc.) zu berücksichtigen. Vor allem aber hat sich die amerikanische Szene stark differenziert: Waren dort die ersten Craftbier-Brauereien zunächst mit intensiv mit neuen Hopfenzüchtungen gehopften India Pale Ales aufgefallen, so ist rasch klar geworden, dass amerikanisches IPA ziemlich weit von dem entfernt war, was im 20. Jahrhundert in England als IPA angeboten worden ist. Und dann wurde heftig weiter entwickelt und weiter unterteilt.
Vor 20 Jahren kannten die Style Guidelines 85 verschiedene Bierstile, die entsprechend ihrer Unterschiede beschrieben worden sind.
Gleichzeitig sind alte Bierstile wiederentdeckt worden, manche mussten sogar wiederbelebt werden. Grätzer zum Beispiel: Das gab es nur noch in alten Brauereibüchern und bei polnischen Homebrewern, nachdem die kommerzielle Produktion 1993 eingestellt worden ist. Jetzt wird der Stil nicht nur in Grodzisk Wielkopolski (wie Grätz im heutigen Polen genannt wird) gebraut, sondern auch in vielen anderen Ländern. Und es scheint seit einigen Jahren in den Bier Style Guidelines der Brewers Association auf, die inzwischen tonangebend für die Kategorisierung von Bierstilen sind.
Und es werden immer mehr: 169 verschiedene Stile werden in der neuesten Fassung aufgeführt. "Die Brewers Association hat sieben neue Bierstile zu den Bierstilrichtlinien hinzugefügt, bevor die Anmeldung für den Great American Beer Festival® (GABF®) Wettbewerb 2025 beginnt. Die Aufnahme dieser neuen Stile in die Richtlinien spiegelt sowohl die Diversifizierung der Produktportfolios unabhängiger Brauer wider, um den Verbraucherpräferenzen gerecht zu werden, als auch die Innovation, die ein integraler Bestandteil der Craft-Braukultur ist", schreibt der zuständige Referent Chuck Skypeck auf der Website des amerikanischen Brauereiverbands.
Die neuen Ergänzungen zu den Richtlinien sind:
+ Vier Stile – Light, Pale, Amber und Dark – die die Bandbreite der mexikanischen Lagerbiere repräsentieren. Früher in größere, ungenauere Lagerkategorien eingestuft, rechtfertigt die Einzigartigkeit und wachsende Beliebtheit dieser Stile eine individuelle Richtlinienanerkennung für Brauer und Juroren als Unterkategorien der International Light Lager, der neuen International Amber Lager und der International Dark Lager Kategorien.
+ Tschechischer Bernsteinlager und tschechisches dunkles Lager.
+ Darüber hinaus wurde die Kategorie, die bisher als "Bohemian Style Pilsener" bekannt war, in "Czech Style Pale Lager" umbenannt.
* Zudem wurde eine neue Kategorie "West Coast Style Pilsner" geschaffen.Dieser Stil ist das Ergebnis des jüngsten Experimentierens der Brauer mit sehr hohen Hopfengaben in Lagerbieren.
Schon länger in der Liste sind so rare historische Stile wie Breslauer Schöps, Dortmunder Adambier oder schwedisches Gotlandsdricke.
Auffallend: Österreichisches Märzen - ein Stil, von dem immerhin rund 6 Millionen Hektoliter gebraut werden, ist trotz intensiven Lobbyings in den internationalen Stilrichtlinien nicht vertreten. "Viele Biermarken die als Maerzen im österreichischen Stil bezeichnet werden, sind vom Hellen der Münchner Art fast nicht zu unterscheiden und sollten daher als 'Munich-Style Helles' eingereicht werden", heißt es in den Style Guidelines.