Bierabsatz geht im deutschen Sprachraum zurück

von Conrad Seidl 29/08/2025
Nachrichten
Bierabsatz geht im deutschen Sprachraum zurück

Wiesbaden/Wien - Wo die deutsche Sprache gesprochen wird, da wird auch viel Bier getrunken. Ein Klischee, das leider immer weniger stimmt. Im ersten Halbjahr 2025 ist der Bierkonsum sowohl in Deutschland als auch in Österreich stark zurückgegangen und hat historische Tiefstände erreicht.

In Deutschland verzeichnete die Branche laut Statistischem Bundesamt einen Rückgang des Bierabsatzes um 6,3 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Das entspricht etwa 262 Millionen Liter weniger und bedeutet, dass die Marke von vier Milliarden Litern erstmals seit 1993 unterschritten wurde. Holger Eichele, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Brauer-Bundes, äußerte sich dazu: „Die Zahlen zeigen, dass die deutsche Brauwirtschaft vor großen Herausforderungen steht: In Deutschland ist wie in vielen Ländern Europas der Bierkonsum deutlich rückläufig. Dies hat zum einen demografische Gründe. Zum anderen bekommen die Brauereien weiterhin die massive Konsumzurückhaltung der Verbraucher zu spüren.“ Die Ursachen sind vielschichtig: Neben veränderten Konsumgewohnheiten insbesondere bei Jüngeren wirken ein regnerischer Frühling und die anhaltende wirtschaftliche Unsicherheit. 

Pfand als Preistreiber wahrgenommen

Auch Österreich musste einen signifikanten Rückgang hinnehmen: Der Bierausstoß im ersten Halbjahr 2025 sank um 6,9 Prozent im Vergleich zum Vorjahr und lag damit deutlich unter den Erwartungen. Florian Berger vom Verband der Brauereien erklärte, ein verregneter Mai trage ebenso zum Minus bei wie die allgemeine Konsumzurückhaltung. Besonders der neue Pfandsatz von sieben Euro pro Bierkiste habe eine „Hürde im Kopf“ bei den Konsumenten geschaffen, wie Vertreter einzelner Brauereien berichten. Das wirkt sich vor allem auf den Verkauf von Dosenbieren und handelsüblichen Kisten aus. Berger spricht von einem veränderten „Lebensstil der jüngeren Generation“, die bewusst weniger Alkohol konsumiert und gezielter zu alkoholfreien Alternativen greift. 

Auffällig ist das anhaltende Wachstum bei alkoholfreien Bieren, das in Österreich 2024 bei über acht Prozent lag und laut Branchenprognosen weiter steigen wird. Berger sieht in diesem Segment enormes Potenzial, das den Rückgang bei klassischen Biersorten teilweise kompensieren kann. Der Anteil alkoholfreier Biere an der Gesamtproduktion  dürfte in den kommenden Jahren die sieben Prozent-Marke erreichen, wie sie heute in Deutschland oder Tschechien Standard ist. 

Die Auswirkungen sind in der Gastronomie besonders spürbar, da der Bierabsatz gerade im Offenausschank zurückgegangen ist. 

Auch auf andere europäische Länder wirkt sich die allgemeine Konsumflaute aus. So meldet das Statistische Bundesamt für Deutschland, dass von den insgesamt 3,9 Milliarden Litern Bier lediglich 711 Millionen Liter in den Export gingen, ein Rückgang von 7,1 Prozent. Zahlen aus Belgien und den Niederlanden zeigen, dass dort die Bierpreise weiter steigen, während die Nachfrage stagniert oder zurückgeht. In Belgien kostet ein halber Liter Bier inzwischen rund 4,60 Euro, in Deutschland 4,50 Euro, in Österreich sogar 4,90 Euro. Damit zählen diese Länder inzwischen zu den teuersten Biermärkten Europas, wohingegen Spanien, Polen und Portugal mit Preisen zwischen 2,50 und 3,00 Euro pro halbem Liter die günstigsten Märkte darstellen.

Die aktuelle Krise hat für viele Brauereien existenzielle Folgen; Insolvenzen und Pleitewellen werden bereits im Branchenumfeld diskutiert - in Deutschland mussten einige mittelständische Traditionsbrauereien wegen mangelnder Zukunftsperspektiven bereits abgewickelt werden. Vor allem kleinere und mittelständische Betriebe, die keine große Marktmacht und wenig Spielraum für Preiskontrolle haben, stehen unter massivem Druck.

Rückgänge auch im Handel

Die Brauerei Hofstetten aus Oberösterreich etwa musste beim Einzelhandel im ersten Halbjahr Rückgänge von bis zu 15 Prozent verzeichnen. Neben dem weiter ansteigenden Kostendruck, insbesondere bei Energie und Rohstoffen, bleibt der Absatz auch nach dem Wegfall der Pandemie-Maßnahmen unter den Erwartungen. Während der Bierabsatz in Deutschland vor 30 Jahren noch bei rund 133 Litern pro Kopf lag, wurden 2024 lediglich 88 Liter pro Person konsumiert. In Österreich lag der Pro-Kopf-Verbrauch dagegen zuletzt bei knapp 99 Litern.

Unterschiedliche nationale Entwicklungen zeigen, dass es neben wirtschaftlichen und demografischen Ursachen regionale Besonderheiten gibt. Die Boomregionen der europäischen Bierkultur verlagern sich beispielsweise Richtung Spanien: Madrid wurde im Jahr 2025 erstmals als führende Bierstadt Europas gekürt, dank wachsender Craft-Bier-Szene und eines umfassenden gastronomischen Angebots. In Tschechien hält sich das traditionelle Biersortiment weiterhin gut, während die südlichen Länder zunehmend eigene Brautraditionen und internationale Einflüsse kombinieren. Die Bierpreise sind dabei stark vom Konsumverhalten und dem jeweiligen Preisniveau abhängig, was vor allem in westeuropäischen Ländern für eine weitere Zurückhaltung sorgen dürfte. 

Zusammenfassend zeigen die aktuellen Zahlen und Aussagen der Branchenvertreter einen strukturellen Wandel am europäischen Biermarkt, der sich mit großen Schritten in Richtung alkoholfreier Alternativen, internationaler Expansion und veränderter Konsumgewohnheiten bewegt. Sowohl Eichele als auch Berger betonen, dass die Entwicklung mit Herausforderungen, aber auch Chancen für innovative neue Brau- und Vermarktungskonzepte verbunden ist. Die Masse der Konsumenten bleibt jedoch zurückhaltend, sodass die Branche sich in den kommenden Jahren weiter umstellen muss und sich auch eine gewisse Krisenstimmung nicht verbergen lässt.