Bierbrauen - ein Bürgerrecht

von Conrad Seidl 08/12/2021
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Bierbrauen - ein Bürgerrecht

Weitra - Aus meiner engeren Heimat gibt es einen festlichen Anlass zu vermelden: Die kleine Stadt Weitra an der österreichisch-tschechischen Grenze hat ein rundes Jubiläum zu feiern – als älteste Braustadt Österreichs. In den letzten Jahrzehnten haben ja weltweit viele Tourismusverbände und Stadtmarketing-Agenturen die jeweils örtlichen Brauereien als Kooperationspartner kennengelernt und begonnen, ihre jeweiligen Städte mit dem Etikett „Braustadt“ für ein bierinteressiertes Publikum herauszuputzen.

Aber Weitra kann sich bei seinem Fest auf eine Urkunde aus dem Jahr 1321 berufen – in der Stadterhebungsurkunde aus jenem Jahr ist festgelegt, dass die Bürger das Recht haben, Bier zu brauen. Wichtiger noch: Die Bürger durften das Bier auch ausschenken. Es lohnt, sich die Verhältnisse des frühen 14. Jahrhunderts in Erinnerung zu rufen: Hat damals nicht praktisch jeder Bauer sein eigenes Bier gebraut? Ja, durchaus – Bierbrauen gehörte in Stadt und Land sowie in allen Siedlungsformen dazwischen (etwa auch in Burgen oder Klöstern) ähnlich wie Brotbacken oder Kochen zum Alltag. Aber jene Biere waren nicht zum Verkauf bestimmt. Sie gehörten dem Hausherrn. Und sie wurden von diesem nach eigenem Gutdünken mehr oder weniger freigiebig an die Mitbewohner ausgegeben. Wer mehr trinken wollte, als der Hausherr zum Lohn dazulegen wollte, musste sich einen Ausschank suchen.

Brauen durfte, wer ein Haus aus Stein hatte

Die Braurechte, wie sie damals den Städten im deutschen Sprachraum erteilt wurden, schufen eben dafür die Grundlage: Wer Bürger einer Stadt war und ein aus Stein gebautes Haus innerhalb der Stadtmauer besaß, durfte nicht nur für den eigenen Haushalt, sondern auch für den allgemeinen Ausschank Bier brauen – Kleinhäusler mit ihren hölzernen Hütten waren von diesem Recht ausgeschlossen. Und die Bauern ebenso: Sollte ein Hausknecht auf die Idee kommen, in seiner kargen Freizeit die Stadt zu verlassen, um etwa ein Bier auf einem nahen Bauernhof zu genießen, musste er recht weit marschieren: Denn mit dem Braurecht war regelmäßig auch ein Meilenrecht verbunden: Im mit etwa sieben Kilometern recht weit gefassten Umkreis der Stadt durfte niemand Bier ausschenken – es sei denn, dieses Bier wäre bei einem Bürger der Stadt erworben worden.

Um dieses Privileg ist klarerweise regelmäßig gestritten worden, schließlich wollten Bauern und Gutsherrn, Klöster und nahe Nachbarstädte ja auch ihr Bier zu Geld machen – und die Konflikte sind in einigen Fällen sogar zu handfesten „Bierkriegen“ ausgeartet.

Ein Privileg, das Sinn macht

Apropos Krieg: Auch wenn heute der Begriff „Privileg“ meist einen negativen Beigeschmack hat, weil es mit ungerechtfertigten Vorteilen assoziiert wird, wurde das Brauprivileg der jeweiligen Städte durchaus mit Bedacht erteilt. Im Mittelalter gab es ja keine mit dem heutigen Staatswesen vergleichbaren Verwaltungsstrukturen und auch keine stehenden Heere. Ein Landesherr musste also besondere Beziehungen zu seinen Untertanen aufbauen – die Privilegien dienten der Etablierung eines besonderen Treueverhältnisses. Wenn die Bürgerschaft durch die Bierbrauerei ihre „Braunahrung“ hatte, konnte sie gewissen Wohlstand erwerben. Es war daher umgekehrt seitens des Landesherrn nur recht und billig, wenn er die Erhaltung und Verteidigung der Stadtmauern und deren Verteidigung gegen allenfalls ins Land eindringende Feinde den wohlhabenden Bürgern auferlegte. Mit dem Biergeschäft war also die Landesverteidigung engstens verbunden, was sich dann auch in speziellen Biersteuern ausgedrückt hat. Die gibt es bis heute. Aber das ist eine andere Geschichte. Jetzt gilt es einmal, das alte Braurecht von Weitra zu feiern!

(Diese Kolumne erschien zuerst in der Getränkefachgroßhandel 8/2021)