München / Ried im Innkreis - Kürzlich war ich in einem Bierlokal, das eigentlich recht nett gewirkt hat – zumal es der Ausschank einer bekannten bayrischen Brauerei ist. Also frisch ein Bier bestellt! Aber leider: Das Bier war eben alles andere als frisch. Zu einem netten Lokal gehört eben nicht nur, dass das Ambiente nett ist, sondern dass auch die Kellnerin freundlich ist, beim Zapfen nicht Bier aus zwei Gläsern zusammenschütten würde und die Bierleitungen frei von bierfremden Keimen wären. Ehrlich gesagt: Ich hatte keine Lust, das Bier auszutrinken – es roch unappetitlich, war stiluntypisch leicht trüb und schmeckte ebenso stiluntypisch nach Diacetyl.
Meiner Beschwerde zeigte sich der Wirt nicht zugänglich: Seine Bierleitungen würden öfter als vorgeschrieben von einem dazu befugten Unternehmen gereinigt – bierfremde Keime könnten daher gar nicht in der Leitung sein.
Können sie doch. Denn wilde Hefen und bierschädliche Bakterien finden rund um Schankanlagen unvermeidlicherweise ein ideales Biotop. Am Auslauf des Zapfhahns, wo Bier und Luft zusammenkommen, können sie sich festsetzen – was ihnen natürlich umso besser gelingt, wenn Bier in mehreren Gläsern herumsteht und der Auslauf beim Zapfen in das zu füllende Glas hineinreicht und außen von Bier benetzt wird. Diese feuchten Flächen bilden mit den darauf gesammelten Bierresten das Einfallstor für alle denkbaren Infektionen. Nun haben wir alle schon einmal gehört, dass im Bier keine gesundheitsschädlichen Keime wachsen können. Das ist allerdings ein schwacher Trost für den Gast: Die unerwünschte Mikroflora ist ja trotzdem unappetitlich. Die Keime können Aussehen, Aroma und Geschmack des Bieres ziemlich stark verändern. Und wenn man nicht aufpasst, besiedeln sie die Bierleitungen schneller als man mit dem Reinigen nachkommt.
Vorbild im Gasthof Riedberg
Der Diplombiersommelier Karl Zuser hat mir das einmal in seiner eigenen Gaststätte am Riedberg demonstriert: Am ersten Abend eines Seminars in seinem Haus saßen wir abends lange zusammen, dann wurde die letzte Runde eingeläutet – und als das letzte Bier ausgeschenkt worden war, wurden sämtliche Bierfässer abgehängt und mit Sodawasser gefüllt. Das ist in guten Häusern tägliche Routine – und ebenso ist es Routine, dieses Wasser am nächsten Tag zu kontrollieren. Karl Zuser hat es den Seminarteilnehmern gezeigt: Trüb war es, grau und ziemlich unappetitlich – was in diesem Glas zu finden war, ist das, was man selbst bei regelmäßig gereinigten Schankanlagen im ersten Bier des Tages vorfindet. Weil ja leider viele Wirte die Mühe scheuen, alle Bierleitungen am Tagesende leerzuzapfen, kann man solche Verunreinigungen mitserviert bekommen; „Nachtwächter“ wird ein solches Bier genannt.
Und, schlimmer noch: Wenn immer wieder ein „Nachtwächter“ in der Bierleitung stehen bleibt, bleiben nicht nur Biofilme in der Leitung selbst. Sie arbeiten sich auch langsam, aber mit unangenehmer Sicherheit in Richtung des angeschlossenen Bierfasses weiter. Dort findet die mikrobiologische Verunreinigung reichlich Nahrung, sie kann sich nun auch im Fass ausbreiten. Wenn dann so ein noch halbvolles Fass nach der nächsten gründlichen Hauptreinigung der Bierleitungen wieder angehängt wird, erfolgt die Wiederbesiedelung der Leitung von zwei Seiten.
So war das wohl auch im eingangs geschilderten Fall: Da berichtete mir der Wirt, dass die Reinigung der Bierleitungen in einem kürzeren als dem von der einschlägigen Norm vorgeschriebenen Zeitraum erfolgte – da könne man sich auf die Bierqualität verlassen. Nein, das kann man nicht. Was hilft? Neben verbesserter Schankhygiene und dem täglichen Spülen der Leitungen wäre vor allem zu erwarten, dass das Schankpersonal zu Schankbeginn das Bier auf Geruchs- und Geschmacksfehler prüft. Und dass Brauereien ihren Gastro-Kunden dabei auf die Sprünge helfen – allein schon, um Imageschäden der eigenen Marke zu vermeiden.