Brauwirtschaft trauert um Ludwig Narziss

von Conrad Seidl 30/11/2022
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Brauwirtschaft trauert um Ludwig Narziss

Freising - Er war bis ins hohe Alter aktiv und als Ratgeber der Brauwirtschaft geschätzt: Ludwig Narziß war ein großartiger Lehrer und die maßgebliche deutsche Autorität im Hinblick auf Brautechnik. Sein "Abriss der Bierbrauerei" (derzeit in achter Auflage) gilt als das grundlegende deutschsprachige Lehrbuch der Brauwissenschaft.

Geboren 1925 als Sohn des Direktors von Hacker-Bräu in München, musste er während des Zweiten Weltkriegs in der Marine dienen. Nach seiner Heimkehr begann er eine Brauerlehre bei Tucher in Nürnberg und studierte anschließend in Weihenstephan. Im Jahre 1956 promovierte er über Den Einfluss der Hefe auf die Eigenschaften des Bieres. Von 1958 bis 1964 war er erster Braumeister der Münchener Löwenbräu AG.

Prägender Einfluss auf deutsches Bier

Am 1. April 1964 wurde Narziß als Nachfolger von Karl Schuster auf den Lehrstuhl für Technologie der Brauerei I an die Hochschule Weihenstephan berufen und übernahm dessen Leitung der Bayerischen Lehr- und Versuchsbrauerei. Im Jahr 1992 wurde er emeritiert - in diesen drei Jahrzehnten prägte er Generationen von Braumeistern und deren Auffassung von Bierqualität. Noch im Alter von über 90 Jahren reiste er um die Welt, um Veranstaltungen der Brauwirtschaft zu besuchen und Vorträge zu halten. Bis zuletzt arbeitete er an seinen Büchern.

Narziß war Träger mehrerer hoher Auszeichnungen - vom Bayerischen Bierorden (1979) über das Bundesverdienstkreuz am Bande (2007) bis zum Bayerischen Verdienstorden (2019). Am 13. September 2019 verlieh ihm die TU München „in Würdigung seiner herausragenden wissenschaftlichen Pionierleistungen, die auf dem Gebiet der Brau- und Getränketechnologie internationale Maßstäbe der Forschung gesetzt haben und für seine richtungsweisenden Lehrbücher und Monographien zur Brautechnologie“, die Ehrendoktorwürde (Dr. Ing. e. h.).

"Prof. Narziß hat nicht nur die Fakultät für Brauwesen in Weihenstephan, sondern generell den Ruf der deutschen Brauwissenschaft im In- und Ausland maßgeblich geprägt. Ihm war es stets wichtig, den Dialog zwischen Brauwirtschaft und Brauwissenschaft, zwischen Forschung und Brauereipraxis zu gewährleisten", schreibt das Fachmagazin Brauwelt in einem Nachruf.

Humorvoller Experte mit exzellentem Gedächtnis

Er galt als Verfechter des bayerischen Reinheitsgebots - auch aus der Erfahrung heraus, dass er nach dem Zweiten Weltkrieg Bier aus Mais machen musste und welcher Anstrengungen es bedurfte, dass daraus etwas wurde, das man trinken kann. Im "Abriss" ist dennoch auch ein Abschnitt dem Brauen mit Getreiden jenseits von Gerste und Weizen gewidmet. Bis ins hohe Alter war er rege mit Lehren und dem Verfassen von Büchern befasst - und er verfügte über ein phänomenales Gedächtnis: Bei den Hopfentagen von BarthHaas überraschte er beispielsweise sein junges Publikum mit detaillierten Informationen über die Hopfenqualitäten der 1950er Jahre. 

Legendär ist auch seine Fitness: Narziß war bekannt dafür. auch weitere Strecken schnellen Schritts zu Fuß zurückzulegen. Seine Gesundheit führte er aber weniger auf diese Marschleistungen als auf seinen regelmäßigen Bierkonsum zurück. Und wer mit ihm Schritt halten konnte, lernte einen liebenswürdigen und humorvollen Gesprächspartner kennen, der sein Wissen freigiebig zu teilen bereit war. 

Am 29. November 2022 ist Ludwig Narziß im Alter von 97 Jahren verstorben.