Nürnberg - Die deutsche Fachzeitschrft Brauwelt hat mit einem Beitrag zu Bierdosen eine Kontroverse unter Bierkennern ausgelöst. Benjamin Heckmann, ein PR-Berater der Firma akp public relations, hat in Ausgabe 20/2020 der Brauwelt die Dosen als "Litfaßsäulen im Miniaturformat" dargestellt und ihre Vorzüge gepriesen. Diese gibt es bekanntlich in technologischer Hinsicht (Lichtschutz ist für die Bierqualität entscheidend), Heckmann hebt aber zunächst vor allem die marketingtechnischen Aspekte hervor: "Kaffeegetränke passen hervorragend in kleine Gebinde mit 150, 200 oder 237 ml, während es beim Bier gerne etwas mehr sein darf. Die King Can mit 750, 900 oder 1000 ml eignet sich nicht nur für durstige Zeitgenossen oder zum Teilen in gemütlicher Runde, sondern auch für aufmerksamkeitsstarke Sondereditionen. Gleiches gilt beispielsweise auch für die MegaSleek® Dose mit 591 ml, die sich mit ihrem Größenvorteil hervorragend gegen die Halbliterkonkurrenz positionieren lässt... Sollen aus einfachen Dosen kleine Kunstwerke werden, dann schlägt die Stunde der Designer. Als 360-Grad-Leinwand bieten Getränkedosen eine größtmögliche Fläche für außergewöhnliche Ergebnisse."
PR-Text lanciert
All das deutet auf den Markeninhaber von MegaSleek® hin, das Verpackungsunternehmen Ball, ein Big Player im Dosengeschäft. Das allein wäre noch kein Grund für Kritik. Allerdings sollte ein PR-Berater offenlegen, ob er für einen Hersteller (in diesem Fall Ball) tätig ist - dann wäre das auch kein Problem, weil es in Fachzeitschriften längst üblich geworden ist, dass Experten die Leistungen des eigenen Unternehmens beispielhaft darstellen. Ball hat diese Expertise allerdings an eine Agentur ausgelagert. Auf deren Selbstdarstellung auf LinkedIn heißt es: "Wir schaffen den Spagat zwischen technischen sowie wissenschaftlichen Fakten und Markenkommunikation – alleine im vergangenen Jahr konnten wir so über 1200 gelungene Print- und Online-Veröffentlichungen für unsere Kunden erzielen, darunter zahlreiche Fachartikel, Interviews und schöne Case Studies."
Und genau am Fachlichen hakt es bei dem in der Bierszene heftig diskutierten Artikel: Die zentralen Aussagen zum Recycling und der Ökobilanz werden mit dem nebulösen Hinweis auf den Branchen- und Lobbyverband Metalpackaging "belegt", da hätte ein Fachredakteur auf genauer Zitierung und/oder einem Peer-Review bestehen müssen.
Der Autor ("Bier vor Ort") und Bierblogger Volker Quante, der den Brunnenbräu Blog betreibt, schreibt auf Facebook: "Der Artikel strotzt vor unbelegten Behauptungen ohne Quellenangaben. Mir sträuben sich die Haare, wenn ein Satz beginnt mit 'Experten haben festgestellt ...' Da frage ich mich sofort: Wer? Wann? In welchem Kontext? In wessen Auftrag? Experte in welchem Gebiet? - Auch sind Zahlenangaben zumindest auf den ersten Blick widersprüchlich und gehören hergeleitet (z.B. 75% der Al werden recycled, 75% des jemals hergestellten Al sind noch in Nutzung - diese Zahlen passen vordergründig nicht zueinander - da fehlt es an einer einordnenden Zahlenlogik.). Und so zieht es sich durch den ganzen Artikel. - Fast alles nur unbelegte Behauptungen (die einzige Quellenangabe ist die Firma Ball), und meistens mit superlativen Ausdrucksformen unterlegt."
Presseaussendung korrekt übernommen
Tatsächlich sind die in der Brauwelt verwendeten Informationen aus einer Presseaussendung vom 22. Mai des Vorjahres übernommen - eine durchaus gängige journalistische Praxis, bei einem Fachartikel sollte aber zumindest die Quelle korrekt angegeben werden. Diese ist zwar der erwähnte Lobbyingverband, dieser kann sich allerdings letztlich auf eine wissenschaftlich abgesicherte Studie berufen, die RDC Environment erstellt hat. Zudem gibt es einen grundlegenden Fachartikel dazu, der 2016 im Journal of Cleaner Production veröffentlilcht worden ist.
Die Kernaussagen Heckmanns - der die Vorteile der Bierdose sowohl unter technologischen als auch unter Marketing-Aspekten bereits mehrfach journalistisch ausgeleuchtet hat - erscheinen daher trotz mangelhafter Zitierung gültig zu sein. Und sollten wohl faktenbasiert betrachtet und diskutiert werden: "Wie eine aktuelle europäische Ökobilanz zur Aluminiumgetränkedose zeigt, konnten die Kohlenstoffemissionen von Aluminiumdosen in den vergangenen zehn Jahren im Durchschnitt um 31 Prozent gesenkt werden. Die zentralen Faktoren, die diese Fortschritte ermöglicht haben, sind neben erhöhten Recyclingraten kontinuierliche Verbesserungen in den Prozessen der Aluminiumproduktion und der Dosenherstellung sowie ein verringertes Dosengewicht. Für eine 330-ml-Dose zeigt die Studie für den Zeitraum zwischen 2006 und 2016 eine Reduzierung des Aluminiumbedarfs um zwölf Prozent, eine Senkung des Strom- und Wärmeverbrauchs um 35 Prozent dank effizienterer Dosenherstellungsprozesse sowie eine Verringerung des Gewichts der Dose um vier Prozent. Gleichzeitig stieg die Recyclingquote für Aluminiumgetränkedosen in ganz Europa von 50 auf 73 Prozent im Jahr 2014 – dies entspricht einer Steigerung von nahezu 50 Prozent."
Hinweis in eigener Sache: Die Website bier-guide.net übernimmt immer wieder Presseinformationen von Unternehmen und PR-Agenturen, deren Korrektheit nicht in jedem Fall nachgeprüft werden kann. Wir sind bemüht, Quellen anzugeben, erheben allerdings im Unterschied zu Fachmagazinen keinen Anspruch auf Wissenschaftlichkeit, da wir uns darauf beschränken, Informationen aus der Branche für die Branche und Konsumenten weiterzugeben.