Wien - Die Hirter Brauerei ist ein Kärntner Vorzeigebetrieb und einer der Vorreiter unter den Mittelstandsbrauereien, wenn es um die Bewahrung genetischer Vielfalt bei der Braugerste - mengenmäßig die zweitwichtigste Zutat nach dem Wasser - geht. Geschäftsführer Nikolaus Riegler ist eher zufällig auf das Thema gestoßen, dass Großkonzerne einzelne Eigenschaften von Gerstensorten wie eigentliche "Erfindungen" unter Patentschutz zu stellen versuchen. Zwar gelten auf natürlichem Weg gezüchtete oder durch Mutation entstandene neue Sorten (im Unterschied zu gentechnisch veränderten Pflanzen) nicht als patentierbar, über den Weg spezifischer Eigenschaften, womöglich kombiniert mit Verarbeitungsverfahren, kann die Regelung aber umgangen werden.
Gemeinsam mit dem für die Erhaltung der Kulturpflanzenvielfalt kämpfenden Verein Arche Noah bewirbt Riegler eine Petition, die solche Patenterteilungen auf politischem Weg unterbinden will. Der in der EU geltende Grundsatz "Kein Patent auf Leben" müsse wieder durchgesetzt werden.
Jedes Jahr werden EU-weit rund 100 Patente auf Pflanzen aus herkömmlicher Zucht beantragt, rechnet Dagmar Urban, Leiterin des Bereichs Politik bei Arche Noah, vor. Dabei geht es um alle möglichen Feldfrüchte, etwa Tomaten oder Salate, zunehmend aber auch um Braugersten und deren Eigenschaften. Aktuell vor dem Europäischen Patentamt verhandelte Patentanträge umfassten die jeweilige Gerstenpflanze, das Saatgut und die Verwendung der Gerste in Mälzungs-, Maisch- und Brauverfahren. Unter den Antragstellern sind Großunternehmen wie Heineken und Carlsberg. "Dass multinationale Konzerne versuchen, sich Rohstoffe und dementsprechend auch die Früchte dieser Rohstoffe zu sichern, muss uns nachdenklich stimmen", erklärt Riegler.
Besseres Bier durch Vermeidung von DMS
Bereits 2016 wurden erste Patente erteilt, bei denen die Kombination gewisser Gerstensorten und besonderer brautechnischer Verfahren zu besseren und haltbareren Bieren führen soll. Bei den Patenten EP 2 373 154 B1, EP 2 384 110 B1 und EP 2 575 433 B1 geht es um Verfahren zur Herstellung von Bierwürze mit verminderter Lipoxigenase-Aktivität (LOX) beziehungsweise ohne den Aromastoff Dimethylsulfit (DMS), der im Bier einen Geruch nach Gemüse erzeugt. Diese patentierten Eigenschaften versprechen einen energieeffizienteren Brauprozess beziehungsweise eine verbesserte Geschmacksstabilität des Bieres.
Urban betonte, dass die normale Züchtertätigkeit immer schwieriger werde, weil die Patentschriften für den konventionellen Züchter gar nicht lesbar seien - sie stammten von den großen Rechtsabteilungen der Konzerne und der Kern der angeblichen "Erfindung", deren Schutz beantragt wird, sei im Text oft gut versteckt: "Der Züchter kann gar nicht wissen, ob eine bestimmte Eigenschaft seines Züchtungsprogramms womöglich schon patentrechtlich geschützt ist."
Besonderheiten von Spezialmalzen
Speziell bei der Gerste sei ein Patentschutz problematisch, argumentiert Riegler, denn "gerade die Gerste schafft in der Vermälzung durch ihre Vielfalt in Geruch, Geschmack und Farbe die Charakteristik unserer Biere".
Die Deutsche Braugerstenvereinigung eV hat allerdings bereits vor fünf Jahren darauf hingewiesen, dass die patentierten Eigenschaften von den Braukonzernen keineswegs zur exklusiven Produktion ihrer Markenbiere verwendet werden: "Die Nutzung des in den Braukonzernen entstandenen Züchtungsmaterials steht anderen Pflanzenzüchtern zu eigenen Zuchtzwecken gegen die Entrichtung einer Lizenzgebühr zur Verfügung. Aus Gründen der Refinanzierung der Züchtungsleistung ist es im Saatguthandel üblich, Lizenzen für die Nutzung von Zuchtmaterial zu bezahlen. Die Lizenzen auf die LOX-freien Braugerstensorten zielen somit weniger auf wirtschaftliche Vorteile gegenüber Wettbewerbern sondern dienen der Finanzierung der langjährigen, aufwändigen Zuchtprogramme. Vor diesem Hintergrund haben bereits auch deutsche Braugerstenzüchter Lizenzverträge zur Nutzung der patentierten Sorteneigenschaften geschlossen und diese erfolgreich in eigene Züchtungen eingekreuzt. Diese Sorten stehen der gesamten Malz- und Braubrache zur Verfügung."
Heineken und Carlsberg haben inzwischen eines der Patente - das Patent EP2384110 - fallengelassen.
https://www.hirterbier.at/brauerei