Russlands Biertrinker bekommen Sanktionen zu schmecken

von Conrad Seidl 09/05/2022
Nachrichten
Russlands Biertrinker bekommen Sanktionen zu schmecken

Moskau/Leuven - Die Sanktionen, die auf Russlands Angriff gegen die Ukraine zu greifen beginnen, treffen unter anderem die russischen Biertrinker. Russlands Brauer sind nämlich zu 98 Prozent auf importierten Hopfen angewiesen. Allein die in russischem Besitz befindlichen Brauereien importieren rund 7500 Tonnen Hopfen. Dies vor allem aus den am Sanktionsregime beteiligten Ländern USA, Deutschland und Tschechien.

Jetzt drängt der kleine russische Hopfenpflanzerverband darauf, eine umfangreichere Hopfenproduktion im Inland aufzubauen. Dies dauert aber erfahrungsgemäß viele Jahre. Denn die kostspielig anzulegenden Hopfengärten kommen erst nach zwei bis drei Saisonen in Ertrag. Die russischen Hopfenpflanzer erhoffen sich Subventionen von jährlich 500 Millionen Rubel (5,8 Millionen Euro) pro Jahr, um wenigstens eine Produktion von 1000 Tonnen Hopfen bis 2030 aufbauen zu können, berichtet die FAZ

Internationale Konzerne sind weg

AB Inbev, der größte Brauereikonzern der Welt mit Sitz im belgischen Leuven, hat nach dem Rückzug der Marke Budweiser aus dem russischen Markt angekündigt, seine Anteile an einem russischen Joint Venture an seinen Partner, die türkische Anadolou Efes Brauerei zu verkaufen - der anstehende Verkauf und der Verzicht auf die Einnahmen aus dem Russland-Geschäft würden zu einer Abschreibung von 1,1 Milliarden Dollar führen. Auch die anderen internationalen Großkonzerne Heineken und Carlsberg haben sich aus Russland zurückgezogen. 

Für Carlsberg wird der Ausstieg finanziell am schmerzhaftesten sein, argumentiert die Fachzeitschrift "Brauwelt". Carlsberg war nämlich dank seiner Brauerei Baltika Marktführer (Marktanteil 27 Prozent). 2021 erwirtschaftete Carlsberg in Russland mit acht Brauereien und 8400 Mitarbeitern einen Umsatz von rund 870 Millionen Euro und ein Betriebsergebnis von 92 Millionen Euro.

Übernahmen durch russische Oligarchen

Heineken, die Nummer drei in Russland mit acht Brauereien und einer Kapazität von 16 Millionen Hektoliter Bier, wird von der renommierten Branchenkennerin Ina Verstl mit der Aussage zitiert, man strebe eine „geordnete Übertragung“ des lokalen Geschäfts an, das nur zwei Prozent des Gruppenumsatzes ausmacht. Heineken wird seine Produktion während der Übergangszeit zurückfahren, um das Risiko einer Verstaatlichung zu minimieren. Verstl schreibt: "Die interessante Frage ist: Wer wird die Geschäfte von Heineken und Carlsberg kaufen, auch wenn es nur für eine symbolische Summe ist? Da Russland international zum Paria-Staat geworden ist, kann man sich einen westlichen Käufer kaum vorstellen. Höchstwahrscheinlich werden die Unternehmen an russische Investoren gehen oder an ein russisches Unternehmen, das sich indirekt im Staatsbesitz befindet. Beobachter glauben, es sei im Interesse der Regierung, das Land trotz der Anti-Alkohol-Politik nicht austrocknen zu lassen."