Was Bietrinkern durch Corona droht

von Conrad Seidl 31/10/2021
Nachrichten
Was Bietrinkern durch Corona droht

Wien - Das Wiener Hilfswerk, eine wichtige Sozialorganisation in meiner Heimatstadt, hat mich kürzlich gefragt, ob ich wohl bereit wäre, meine Bekanntheit in den Dienst einer guten Sache zu stellen. Klar, mache ich. Dann wurde gefragt, ob ich wohl die Corona-Impfung schon habe – ja, danke, ebenfalls; seit Mai.

Und ob ich in einem kurzen Video gute Argumente nennen könnte, warum ich mich gegen das Coronavirus impfen habe lassen. Deren gibt es ja etliche, aus meiner persönlichen Sicht überwiegen diese positiven Argumente die Bedenken. Aber das haben andere schon besser gesagt als ich das könnte, ich bin ja weder Mediziner noch Politiker.

Aber tatsächlich habe ich ein spezifisches Argument, das auf mich und viele meiner Freunde aus der Brauwirtschaft zutrifft: Eine Covid-19-Erkrankung kann den Geruchssinn massiv schädigen – das gilt als eine der möglichen Langzeitfolgen, also einer „Long Covid“-Erkrankung.

Das ist nicht bloße Theorie. Einem befreundeten Braumeister, technischer Leiter einer gut aufgestellten Mittelstandsbrauerei, der jährlich mindestens ein saisonales Craftbier auf den Markt bringt und zudem ein Faible für die feinen Aromen eines holzfassgereiften Porterbieres hat, ist das tatsächlich passiert. Im Frühjahr, Covid-Impfungen waren für Männer seines Alters noch nicht erreichbar, kam er eines Morgens in die Küche – und konnte weder den Toast noch den Kaffee riechen. Auch vom Speck, den seine Frau in der Pfanne briet, konnte er das Brutzeln, nicht aber den Geruch wahrnehmen.

Ihm war sofort klar, dass da etwas nicht stimmen kann – und im Lauf des Tages hat sich dann auch Fieber eingestellt. Es war keine besonders schwere Covid-Erkrankung; meinem Freund und seinen nach und nach ebenfalls erkrankten Familienmitgliedern ist ein Krankenhausaufenthalt erspart geblieben. Aber wiegt das die Sorge auf, den Beruf nicht mehr ausüben zu können, weil man einfach nichts mehr riechen und schmecken kann?

Wie viele Menschen sind betroffen? 

Zugegeben, diese krankheitsbedingte Sorge um die berufliche Zukunft Post-Covid betrifft im engeren Sinne weltweit nur eine kleine Gruppe von Bierjuroren, einige tausend Sommeliers, vielleicht einige zehntausend Braumeister – aber natürlich auch alle Weinbauern, alle Barchefs und Millionen professioneller Köche. Was, wenn Angehörige dieser Berufsgruppen dauerhaft – man spricht ja vielfach von „Long-Covid“ – nicht mehr Herr ihrer Sinne wären?

Es betrifft aber letztlich uns alle, nicht nur, weil uns die Angehörigen dieser Berufsgruppen mit wohlschmeckender Speise und Trank versorgen sollen (was ja zwangsläufig mit dem Abschmecken des Dargebotenen einhergeht). Es betrifft uns auch deshalb, weil es ja auch für den nicht-professionellen (Bier-)Genießer einen Verlust an Lebensqualität bedeutet, nicht mehr richtig riechen und schmecken zu können, was gerade im Glas oder auf dem Teller ist. Das habe ich dann auch in dem Video für das Hilfswerk erklärt: Eigentlich sollte schon der drohende Verlust an Genuss durch eine Covid-Erkrankung genug Motivation sein, sich impfen zu lassen. Ist es aber bisher leider nicht: Zum Zeitpunkt, da ich das schreibe, sind im deutschen Sprachraum gerade einmal sechs von zehn Personen, die für eine Impfung in Frage kommen, auch tatsächlich geimpft.

Für meinen Freund, den Braumeister, ist die Sache übrigens glücklich ausgegangen: Nach einigen Wochen konnte er wieder schmecken, was er gebraut hat. Aber es ist keineswegs sicher, dass alle Erkrankten so glimpflich davonkommen.

(Diese Kolumne ist zuerst in der Oktoberausgabe 2021 des Fachmagazins "Der Getränkefachgroßhandel" erschienen.)

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