Wie Bier ganze Volkswirtschaften in Schwung hält

von Conrad Seidl 21/10/2025
Nachrichten
Wie Bier ganze Volkswirtschaften in Schwung hält

Wien - Internationale Braukonzerne prägen längst nicht nur Konsumgewohnheiten, sondern ganze Volkswirtschaften. Sie verbinden Markenidentität mit Wirtschaftskraft, regionaler Beschäftigung und internationaler Handelsintegration. Unternehmen wie Heineken, Asahi, AB InBev oder Carlsberg bilden dabei wirtschaftliche Knotenpunkte, deren globale Strukturen tief in nationale Ökonomien hineinwirken – von Österreich über Tschechien und Malaysia bis nach Südosteuropa.

In Österreich unterstreicht die Brau Union Österreich, eine Tochter des niederländischen Konzerns Heineken, ihre Rolle als Systemträger der Nahrungs‑ und Getränkewirtschaft. Das Unternehmen, das von kleineren Mitbewerbern immer wieder an den Pranger gestellt wird, verweist auf österreichweite Beschäftigungseffekte: 24.192 Arbeitsplätze gesamt mit 738,1 Millionen Euro Löhnen und Gehältern habe Österreich allein dem Brauereikonzern zu verdanken. 

Das Unternehmen betreibt zwölf Braustandorte, beschäftigt mehr als 2 600 Menschen und beliefert rund 49 000 Kunden in Handel, Hotellerie und Gastronomie. Nach Angaben einer neuen Wertschöpfungsstudie des Industriewissenschaftlichen Instituts vom 20. Oktober 2025 generiert die Brau Union eine Gesamtwertschöpfung von 1,236 Milliarden Euro, davon 532,7 Millionen Euro direkte Bruttowertschöpfung (BWS). Damit ist der Großkonzern etwa gleich bedeutend wie die gesamte österreichische Textilindustrie.

Regionale Effekte

Die Studie betont zudem die hohe regionale Verankerung des Unternehmens: Rund zwei Drittel der Zulieferungen stammen von heimischen Produzenten und Dienstleistern.

Von der Brau Union werden die benötigten Rohstoffe bei landwirtschaftlichen Partnerbetrieben in ganz Österreich eingekauft. Darunter sind zum Beispiel 34 Hopfenbäuerinnen und -bauern im oberösterreichischen Mühlviertel und 13 in Leutschach in der Steiermark. Insgesamt führte die Zusammenarbeit des Unternehmens mit der heimischen Landwirtschaft im Jahr 2024 zu einer Bruttowertschöpfung von 26,1 Millionen Euro, 290 Beschäftigungsverhältnissen und Bruttolöhnen und -gehältern in der Höhe von 8,8 Millionen Euro.  

Auf der Ebene der Bundesländer profitieren – direkt, indirekt und induziert – vor allem Oberösterreich (139,9 Millionen BWS), Niederösterreich (127,5 Millionen BWS) und die Steiermark (114 Millionen Euro BWS). Einerseits ist das auf die Linzer Zentrale der Brau Union zurückzuführen, die sich neben starken Brauereien wie jenen von Zipfer oder Linzer Bier in Oberösterreich befindet, und andererseits auf die Brauereien wie Gösser, Puntigamer und Schladminger in der Steiermark oder Schwechater und Wieselburger in Niederösterreich. „Wir sind mit unseren Marken und unseren über 100 Biersorten tief in Österreich verwurzelt, in allen steckt starke regionale Identität. Unsere 12 stolzen Traditionsbrauereien sind keine anonymen Produktionsstätten, sondern wichtige Leitbetriebe in ihren Regionen, schaffen hochwertige Arbeitsplätze und tragen maßgeblich zur Wertschöpfung rund um ihre Standorte und weit darüber hinaus bei“, sagte Hans Böhm, Vorstandsvorsitzender der Brau Union Österreich AG. Unter dessen Leitung wurde im Vorjahr die Villacher Brauerei zugesperrt und dafür eine interessante Spezialitätenproduktion bei Schleppe in Klagenfurt aufgebaut, was allerdings weniger regionale Wertschöpfung auslöst.

Studien auch in anderen Ländern

Auch in anderen Ländern zeigt sich, dass Bierproduktion und ‑konsum weit über den Freizeitbereich hinauswirken. In Malaysia etwa leistet die Industrie trotz restriktiver Steuerpolitik und religiöser Hemmnisse einen wichtigen Beitrag zum Staatshaushalt. Zwischen 2022 und 2023 trug der Sektor laut der Confederation of Malaysian Brewers Berhad jährlich durchschnittlich 7,1 Milliarden malaysische Ringgit (1,68 Milliarden US‑Dollar) zur Wirtschaft bei, 0,4 Prozent des BIP, und stellte 1,5 Prozent der gesamten Steuereinnahmen sicher. Heineken Malaysia und Carlsberg Malaysia appellieren in ihrer Studie an die Regierung, von höheren Verbrauchsteuern abzusehen, um den florierenden illegalen Markt einzudämmen.

In Tschechien hat der japanische Asahi‑Konzern seit dem Erwerb berühmter Marken wie Pilsner Urquell, Gambrinus und Kozel eine Schlüsselfunktion eingenommen. Der Konzern sichert heute rund 2 500 Arbeitsplätze und gilt als bedeutender Exportmotor. Fachleute verweisen darauf, dass Asahi über Kapitalinvestitionen und moderne Technologien die internationale Wettbewerbsfähigkeit des tschechischen Biersektors gestärkt und damit sowohl ländliche Regionen als auch Zulieferindustrien stabilisiert hat. Pilsner Urquell bleibt dabei Symbol nationaler Identität – nunmehr mit japanischem Kapital.

In Frankreich spielt trotz der Weinkultur Bier eine zunehmend sichtbare ökonomische Rolle. Über 600 Brauereien verbinden traditionelle Herstellungsweisen mit Innovationsgeist, getragen von regionalen Förderprogrammen und einer wachsenden Tourismusnachfrage. Kronenbourg im Elsass, Teil der Carlsberg‑Gruppe, dominiert den Markt, während kleine Craft‑Brauereien Arbeitsplätze in strukturschwachen Regionen schaffen. Ähnliche Tendenzen zeigen sich in Italien, wo internationale Konzerne etwa drei Viertel des Biermarkts kontrollieren, während eigenständige Brauereien zulegen. Bier hat sich dort – mit einem Pro‑Kopf‑Konsum von rund 38 Litern – zu einem seriösen Wirtschaftsfaktor in Gastronomie und Landwirtschaft entwickelt.

Slowenien, mit knapp 100 Brauereien, nutzt die steigende Brauaktivität als Stütze regionaler Wirtschaftskreisläufe, und Dänemark exportiert mit Carlsberg eines seiner wichtigsten Industrieprodukte. Die dänische Brauwirtschaft ist nicht nur steuerlich relevant, sondern gilt auch als Vorreiter in ökologischer Produktion.

Ob in Wien, Prag oder Kopenhagen – die wirtschaftliche Verflechtung der internationalen Bierindustrie zeigt, wie eng Genuss, Handel und Beschäftigung miteinander verbunden sind. Bier ist längst ein transnationales Wirtschaftsgut geworden, dessen Wertschöpfung weit über den Zapfhahn hinausreicht.