Wie der Bierguide Auszeichnungen vergibt

von Conrad Seidl 09/01/2023
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Wie der Bierguide Auszeichnungen vergibt

Wien - Was macht ein tolles Bierlokal aus? Und wie vergleicht man ein Beisl mit guter Stimmung und guter Bierpflege mit einer coolen Craftbierbar, wie ein bieraffines Restaurant mit einem bodenständigen Biergarten? Diese Fragen stehen seit dem Jahr 2000 im Zentrum der Anstrengungen von Conrad Seidls Bierguide. Und die Antwort, die sich schon bald herauskristallisiert hat: Eine Bewertung ist nur durch Vergleich möglich!

Was ein Lokal des Jahres ausmacht

Mehr als 250 Gastronomen und Brauer haben in den vergangenen 24 Jahren in der einen oder anderen Kategorie eine Auszeichnung als „Bierlokal des Jahres“ bekommen – jedes Jahr sucht die Redaktion des Bierguide ein Bierlokal in jedem Bundesland aus, das mit seinem Angebot, seiner Bierkultur und seinem Service besonders aufgefallen ist. Dazu kommen Auszeichnungen für einen besonders attraktiven Biergarten, bierorientierte Küche oder eine Initiative zur Hebung der Bierkultur. 

Manchmal bekommen wir die Frage, warum nicht das allseits beliebte Schweizerhaus die Auszeichnung als Biergarten des Jahres bekommen hat. Die einfache Antwort: Weil es bereits im Jahr 2000 Biergarten des Jahres war – und ein Betrieb nicht zweimal als „Lokal des Jahres“ ausgezeichnet wird. Es sei denn, er würde sich komplett ändern.

Aber das wollen wir gerade beim Schweizerhaus nicht hoffen – dieses wird stets so behutsam erneuert, dass es den Gästen kaum auffällt. Es ist, wie der legendäre Wiener Bürgermeister Helmut Zilk einmal gesagt hat, „der schönste böhmische Biergarten der Welt“ – weltberühmt für das bestens gezapfte Budweiser. Man könnte fast vergessen, dass auf der Karte immerhin noch 17 andere Biere – von der Erdinger Weisse bis zum Nicobar IPA stehen.   

Das ist Weltklasse. In dieser Klasse spielen nur vier Dutzend österreichische Betriebe, die mit den berühmtesten und besten Bierbars und Biergärten der Welt verglichen werden können. Diese werden im Bierguide mit fünf Krügeln ausgezeichnet – und oft erreicht uns die Frage, ob nicht dieser oder jene andere Betrieb auch top ist oder ob ein Betrieb mit drei Krügeln wesentlich schlechter ist als einer mit fünf Krügeln. Nein, keineswegs.

Der Vergleich macht sicher: Wie Krügel vergeben werden

Das System, Lokale mit einem bis fünf Krügel zu kennzeichnen, zieht eben die Vergleiche. 

1 Krügerl erhalten Wirtshäuser, Bars und Beiseln mit einer Bierkultur, die sich von anderen Lokalen des gleichen Typs abhebt.

2 Krügerl stehen für überdurchschnittliche Bierlokale, die sich von der Masse absetzen - und die durchaus einen Umweg wert sind, wenn man mal in der Gegend ist.

3 Krügerl sind Lokalen gewidmet, die einen Standard für die Bierkultur der jeweiligen Stadt oder Region setzen - hier kann man ruhig zu bedeutenden Vergleichen greifen: Mc Sorley’s Old Ale House ist vielleicht nicht der beste Platz, um ein Bier in NYC zu trinken – aber jeder Biertrinker, der nach New York kommt, sollte mindestens einmal in seinem Leben die dort erhältlichen beiden Biere probiert haben. Oder denken wir an „Mort Subite“ in Brüssel, „U Zlateho Tygra“ in Prag und natürlich das "Hofbräuhaus am Platzl": Wer als Biertrinker nach München kommt, wird wohl mindestens einmal im Leben im Hofbräuhaus sein wollen. Und wer ein wirklich gutes Irish Pub sucht, wird in Dublin um eines der Guinness-Pubs nicht herumkommen - in Wien oder Salzburg auch nicht. Irish Pubs mit drei Krügeln würden sich auch in Irland bewähren, Aussie-Bars mit drei Krügeln auch in Australien etc.

4 Krügel sind das Zeichen für hervorragende Bierlokale, die durch ihre außergewöhnliche Leistung einen nationalen Standard setzen, vergleichbar mit dem „Proeflokaal Brouwerij t’IJ“ (Amsterdam), dem "Schneider Bräuhaus im Tal" (München)  oder „Schlenkerla“ (Bamberg) - auch wenn diese Beispiele nur Biere einer einzigen Brauerei ausschenken, dürfen sie doch für sich in Anspruch nehmen, einen besonderen Aspekt der nationalen Bierkultur ihres Landes zu repräsentieren. Apropos nationale Bierkultur: In diese Kategorie fällt auch die „Brasserie Federal“ in Zürich, die sich bemüht, die gesamte Breite der Schweizer Bierlandschaft abzubilden - zeitweise hatten sie sogar mindestens ein Bier aus jeder Schweizer Brauerei, die lieferfäghig war, auf der Karte. 

5 Krügerl zeichnen international vorbildliche Top-Lokale aus, die eine besonders breite Vielfalt an Bierstilen, eine „bierige“ Stimmung und eine rundum spürbare Liebe zum Bier zu bieten haben. Hier muss man als Biertrinker gewesen sein. Als Benchmarks dienen die internationale Spezialitätenkompetenz im „White Horse on Parson’s Green“ (London), „Toronado“ (San Francisco) oder im das deutsche Maßstäbe setzende „Tap House Munich“. Wer in München ein Bierlokal internationalen Zuschnitts sucht, wird sich wohl eher ins Tap House Munich als ins Hofbräuhaus oder Zum Schneider im Tal begeben – das ist moderner und bietet mehr Auswahl. Wer dort allerdings bayrische Folklore und Münchner Lokalcolorit sucht, wird im Tap House enttäuscht werden.

Und wenn man nur eben rasch "auf ein Bier" gehen will?  Dann ist jede Empfehlung im Bierguide den Besuch wert, auch jene mit wenigen Krügerln. Normalerweise werden Lokale, die nur ein oder zwei Biere, noch dazu von derselben Brauerei, ausschenken, nur mit  einem, vielleicht zwei oder allenfalls (wenn etwa der Garten besonders gelungen, die Küche besonders "bierig" oder die Innenarchitektur besonders traditionell) drei Krügeln rechnen. Doch dann gibt es Lokale, die sich selber und die Kategorie übertreffen — durch besonderen Service, besondere Bierkompetenz und vor allem besonders bierige Stimmung. Das kann eine Einordnung in einen höheren Status bedeuten - und wenn eine Bierkarte geschrumpft, ein bieriges Angebot reduziert oder die Ausrichtung des Lokals vom Bier eher auf Wein oder Cocktails geändert wurde, dann wird das Lokal im Bierguide nicht mehr ganz so deutlich empfohlen - hier geht es ja ums Bier und nicht um Wein...